Mehr Teilhabe am Kapital der Wirtschaft – Experten diskutierten über bessere Rahmenbedingungen für die Mitarbeiterbeteiligung

[Kassel, 18. Mai 2017]
Am 10. Mai 2017 hatte der Bundesverband Mitarbeiterbeteiligung - AGP zu seiner Tagung „Mehr Teilhabe am Kapital der Wirtschaft“ in die Siemens Hauptverwaltung nach Berlin eingeladen, um mit namhaften Experten, Unternehmern und Vertretern aus Politik, Verbänden und Gewerkschaften über Chancen und Möglichkeiten einer nachhaltige Verbesserung der Vermögensbildung und der Mitarbeiterbeteiligung zu diskutieren. AGP Vorstand Sven Huschke eröffnete die Tagung und begrüßte zusammen mit Eva Schulz-Kamm, Leiterin Government Affairs der Siemens AG, die rund 100 Teilnehmer in den Räumen des Technologiekonzerns, zu dessen DNA es gehöre, Mitarbeiter am Kapital zu beteiligen und sie zu Mit-Eigentümern zu machen, so Frau Schulz-Kamm.

In seinem Eröffnungsvortrag erinnerte der Vorstandsvorsitzende der Ludwig-Erhard-Stiftung, Roland Tichy, daran, dass Ludwig Erhard nicht nur Wohlstand sondern auch Eigentum für alle als wesentliche Grundlage für Eigenverantwortung und Freiheit wollte. Eine zentrale Rolle spielte für Erhard dabei die Vermögenspolitik, als deren Bestandteil auch die Volksaktie anzusehen war. Tichy betonte, dass wir heute nicht über Renten diskutieren müssten, wenn sich die Volksaktie durchgesetzt hätte. Die AGP stehe mir ihrer Arbeit und ihrer Forderung nach mehr Teilhabe am Kapital der Wirtschaft für das Prinzip der Eigenverantwortung und der Freiheit im Sinne Ludwigs Erhards, so Tichy.

Professor Dr. Hilmar Schneider, Vorsitzender der Geschäftsführung des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit – IZA, wandte sich der Frage zu, wie eine Verteilung der Wertschöpfung in einer sich verändernden Arbeitswelt angemessen gestaltet werden kann. Da Kapitaleinkünfte in Zukunft mehr an Bedeutung gewinnen, müsse sich die Gesellschaft mit der Frage auseinandersetzen, wie sie die Verteilungsfrage bei wachsender Diskrepanz zwischen den Einkunftsarten lösen will, so Zimmermann. Seiner Beurteilung nach bietet die Mitarbeiterbeteiligung dabei im Gegensatz zur Umverteilung durch eine Robotersteuer die besseren Chancen, da sie Produktivität und Innovationskraft nicht hemmt, sondern fördert.

Mit der Frage der Vermögensbildung im 21. Jahrhundert beschäftigte sich im Anschluss auch Hans-Jörg Naumer, Global Head of Capital Markets & Thematic Research von Allianz Global Investors. Mit Blick darauf, dass Roboter immer erschwinglicher werden und durch ihren Einsatz dramatische Einsparungen bei der Fertigungen selbst im Vergleich mit Niedriglohnländern erzielt werden können, bestehe die Herausforderung darin, von einer Gesellschaft der Lohnempfänger zu einer Gesellschaft der Kapitaleigner zu werden, um Wohlstand für alle weiterhin zu gewährleisten.

Dr. Norbert Kuhn vom Deutschen Aktieninstitut wies auf die demografische Entwicklung und die daraus entstehende Lücke in der Altersvorsorge hin. Diese Rentenlücke könnte nach Berechnungen des Deutschen Aktieninstituts mit Aktien geschlossen werden. Mitarbeiterkapitalbeteiligung leiste dabei wichtige Aufklärungsarbeit indem sie den Einstieg in diese Anlageformen erleichtere und die Scheu der Deutschen vor Anlagen in Aktien bzw. Produktivkapital verringere. Um ein Signal in Richtung „Aktiensparen“ zu senden, sollte daher neben Aktien- und Fondssparplänen auch die Mitarbeiterkapitalbeteiligungen als Instrument zum langfristigen Vermögensaufbau für die Altersvorsorge gefördert werden, so Kuhn.

Georg Geberth von Siemens und Dr. Björn Hinderlich von der Unternehmensberatung hkp warfen einen Blick auf die Gründe für die geringe Verbreitung der Mitarbeiterbeteiligung in Deutschland. Dabei wiesen sie darauf hin, dass insbesondere die steuerlichen Rahmenbedingungen in Deutschland zu einer –im europäischen Vergleich –unterdurchschnittlichen Verbreitung von Mitarbeiterbeteiligungen führe. Zum einem falle der steuerfreie Betrag von 360 Euro trotz Anhebung in 2009 weiterhin gering aus. Zum anderen führten unklare Regelungen zur Abziehbarkeit der Mitarbeiterbeteiligung als Personalaufwand zu einem steuerlichen Kostenrisiko, was Unternehmen davon abhalte, mehr Beteiligungsprogramme einzuführen.

In der abschließenden Podiumsdiskussion bekundete Dr. Philipp Steinberg, Abteilungsleiter Wirtschaftspolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, das grundsätzliche Interesse seines Hauses, die Themen Vermögenbildung und Mitarbeiterbeteiligung stärker zu unterstützen. Er räumte einen Aktualisierungsbedarf der gesetzlichen Rahmenbedingungen ein, der aufgegriffen werden müsse.

DGB-Bundesvorstand Thomas Fischer, Leiter der Abteilung für Grundsatzfragen und Gesellschaftspolitik, sagte, dass sich die Gewerkschaften zum Thema Mitarbeiterbeteiligung durchaus neu aufstellen müssten. Es dürfe jedoch keine Konkurrenzsituation zur betrieblichen Altersvorsorge entstehen und Elemente der Mitbestimmung müssten mit berücksichtigt werden.

Bundestagsvizepräsident a.D. Dr. Hermann Otto Solms bescheinigte Deutschland eine grundsätzlich kritische Einstellung zur Beteiligung am Produktivvermögen. Der Bundesschatzmeister der FDP plädierte für eine freie Auswahl der Instrumente zur Vermögensbildung. Dem Bürger müsse eine Streuung und eine freie Entscheidung über die Anlageobjekte ermöglicht werden. Daher gelte es, allen Produkten, die für die Bildung von Altersvorsorgekapital in Frage kommen, u.a. die Mitarbeiterbeteiligung, die gleichen Steuervergünstigungen zu gewähren.

Dr. Rolf Leuner von Rödl & Partner berichtete aus seiner Beratungspraxis, dass es viele Unternehmen gäbe, die sich für die Mitarbeiterbeteiligung interessierten, letztlich aber aufgrund von Rechtsunsicherheiten zurückschreckten. So habe es beispielsweise in den letzten Jahren immer wieder Fälle gegeben, bei denen Betriebsprüfer und Finanzbehörden eine abweichende Haltung gegenüber einer langjährigen steuerlichen Bewertungspraxis der Mitarbeiterkapitalbeteiligung eingenommen hätten, so der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.

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Pressebilder

Roland Tichy Prof. Dr. Hilmar Schneider Hans-Jörg Naumer Dr. Norbert Kuhn Georg Geberth und Dr. Björn Hinderlich Podiumsdiskussion mit Dr. Philipp Steinberg (links), Thomas Fischer (3. v.r.), Dr. Hermann Otto Solms (3. v.l.) und Dr. Rolf Leuner (2. v.r.) Publikum

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