Pressemitteilung

Jahrestagung Mitarbeiterbeteiligung präsentiert erfolgreiche Beteiligungsprogramme in Deutschland
[Essen /Kassel, 16. Mai 2018]
Am 16. Mai 2018 fand in den Räumen der Evonik Industries AG in Essen die Jahrestagung Mitarbeiterbeteiligung statt. Vom Mittelstand bis zur Aktiengesellschaft zeigten Unternehmensvertreter und Experten an diesem Tag die Vielfalt erfolgreicher Beteiligungsprogramme und diskutierten mit Vertretern aus Politik und Verbänden über Chancen und Möglichkeiten einer nachhaltigen Verbesserung der Mitarbeiterbeteiligung in Deutschland. Eröffnet wurde die Tagung von der ersten Vorsitzenden des Bundesverbands Mitarbeiterbeteiligung – AGP, Frau Ilka Schulze. Sie begrüßte zusammen mit Thomas Wessel, Personalvorstand und Arbeitsdirektor der Evonik Industries AG, die rund 100 Teilnehmer in den Räumen des Esseners Spezialchemieunternehmens.

In ihrem Eröffnungsvortrag beschrieb Ingrid Schleimer vom NRW-Arbeitsministerium die Bedeutung der Mitarbeiterbeteiligung für die Sicherung und Gewinnung von Fachkräften. Dadurch, dass die Ansprüche der Mitarbeiter heutzutage vielfältiger seien, entstünde ein Veränderungsdruck auf die Unternehmen, bei dem nicht mehr nur das Gehalt ausschlaggebend für die Wahl eines Arbeitgebers sei. Vielmehr würde immer mehr der Anspruch auf Transparenz und Partizipation Einzug in die Unternehmen halten. Die Mitarbeiterbeteiligung sei, richtig angelegt, ein passender Baustein eines modernen Führungskonzeptes, bei dem der Mensch im Mittelpunkt steht, so Schleimer. Weiter würde für das Konzept sprechen, dass es die Verteilungsgerechtigkeit im wirtschaftlichen Aufschwung fördere und die Veränderungs- und Weiterbildungsbereitschaft der Belegschaft im Unternehmen steigere.

Die unternehmerische Perspektive der Mitarbeiterbeteiligung bei Evonik zeigte der Personalvorstand und Arbeitsdirektor der Evonik Industries AG, Thomas Wessel, auf. Bei dem weltweit tätigen Spezialchemieunternehmen gelten die Mitarbeiter als Schlüsselfaktor für eine erfolgreiche und nachhaltige Geschäftsentwicklung. Daher sei eine offene und leistungsorientierte Unternehmenskultur auch als einer von drei Fokusbereichen der strategischen Ausrichtung des Unternehmens bestimmt worden. Umgesetzt wird diese Strategie unter anderem durch ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm, das den Beschäftigten eine weitere Möglichkeit bietet, am Unternehmenserfolg teilzuhaben. Eine Beteiligungsquote von 44 Prozent in Deutschland sei dabei ein gutes Zeichen für die Bindung und das Vertrauen der Mitarbeiter in die wirtschaftliche Entwicklung von Evonik, so Thomas Wessel.

Mit der rasanten Veränderung der Arbeitswelt beschäftigte sich der Ökonom und Universitätsprofessor der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, Dr. Jens Südekum. Er räumte dabei mit dem Schreckensgespenst der technologischen Arbeitslosigkeit auf. Ein Blick auf die zurückliegenden 25 Jahre zeige, dass zwar ca. 280.000 Industriearbeitsplätze durch Roboter in diesem Zeitraum weggefallen, gleichzeitig aber im gleichen Umfang neue Dienstleistungsjobs entstanden seien. Allerdings zeigten die Daten, dass die Robotisierung zu Lohnungleichheit und Verlusten in der Mitte der funktionalen Einkommensverteilung geführt habe. So seien trotz gestiegener Arbeitsproduktivität keine Effekte auf die Durchschnittslöhne erkennbar. Zugewinne seien nur bei Hochqualifizierten und den Unternehmensgewinnen zu verzeichnen. Da Kapital- und Unternehmensbesitz allerdings sehr stark konzentriert seien, zeige sich eine Ungleichheit bei der personellen Einkommensverteilung. Diesem gesellschaftlichen Problem sollte sich die Politik annehmen, so Prof. Dr. Südekum. Die Lösung liegt für ihn in einem inklusiven Wachstum, das den Fokus auf die Primärverteilung der Markteinkommen legt. Neben Bildung und Weiterbildung könnte hier die Mitarbeiterbeteiligung als Teil einer produktivitätsorientierten Lohnpolitik die Einkommensschere wieder schließen, indem sie die Teilhabe an steigenden Unternehmensgewinnen und Kapitaleinkommen ermöglicht.

Mitarbeiterloyalität als Asset lautete der Titel des Vortrages von Frau Prof. Dr. Astrid Szebel-Habig. Die Professorin für Personal- und Unternehmensführung an der Hochschule Aschaffenburg beschrieb dabei die Bereitschaft der Mitarbeiter, sich mit den Werten und Normen des Unternehmens zu identifizieren, als das soziale Kapital der Unternehmen. Zum einen könne Loyalität als Treiber für Qualität und Wachstum angesehen werden. Zum anderen würden hohe Kosten durch Fluktuation sowie Know-How-Verlust vermieden. Auch seien einer amerikanischen Studie der Washington Universität zufolge interne Nachfolger für das Top-Management oft die bessere Wahl. Die Mitarbeiterbeteiligung sei dabei im Rahmen des Personalmarketingmix von Unternehmen eine geeignete Maßnahme, um die Mitarbeiterloyalität zu fördern, so Szebel-Habig. Zudem zeige eine Studie des IZA, dass Unternehmen mit einer Mitarbeiterbeteiligung weniger Entlassungen aufweisen als ohne.

Nach den einführenden Impulsen konnten die Teilnehmer beste Praxis und verschiedene Gestaltungoptionen der Mitarbeiterbeteiligung erleben. So zeigten der geschäftsführende Gesellschafter der HEC Hanseatischen Software-Entwicklungs- und Consulting GmbH, Dr. Thorsten Haase, sowie Dr. Manfred Arend, Mitglied des Vorstands der pb+ Ingenieurgruppe AG, auf, wie Mitarbeiterbeteiligung Teil einer mitarbeiterbasierten Geschäftsentwicklung sein und mit ihr die Unternehmensnachfolge geregelt werden kann. Die Personalleiterin Jana Lippmann präsentierte an Hand des Mitarbeiterbeteiligungsprogramms der LAP GmbH Laser Applikationen aus Lüneburg Lösungen und Erfolgskriterien für die besonderen Anforderungen eines international tätigen mittelständischen Unternehmens. Mit dem Mitarbeiterguthaben stellte Prof. Dr. Lehmeier von der Beratungs- und Prüfungsgesellschaft Rödl & Partner eine aus steuerlicher Sicht interessante Ausprägung der Mitarbeiterbeteiligung vor. Teile des Arbeitsentgelts werden dabei nicht an den Mitarbeiter ausgezahlt, sondern verbleiben steuer- und sozialabgabenfrei im Unternehmen. Als eine gute Ergänzung zur Mitarbeiterbeteiligung stellte Vorstandsmitglied Joachim Bangert im weiteren Verlauf das Betriebsrentenmodell der Auxilion AG vor, welches ohne Bank und Versicherung funktioniert. Die Verwaltung von Beteiligungsprogrammen erläuterte Pim van den Boom von dem Programmverwalter für finanzielle Beteiligungen und Mitarbeiterbeteiligungsprogramme MonIdee. Er führte aus, warum die Verwaltung kein Hexenwerk sein muss und dass es für jede Unternehmensgröße sichere und kostensparende IT-Lösungen gibt.

Für ihr beispielhaftes Beteiligungsprogramm für Mitarbeiter wurde im Rahmen der Tagung auch die Goldbeck GmbH mit dem Partnerschaftspreis des Bundesverbands Mitarbeiterbeteiligung, den „AGP Sternen 2018“, ausgezeichnet. Ortwin Goldbeck, Gründer und Beiratsvorsitzender der Goldbeck GmbH, nahm den Preis, der jährlich in Kooperation mit der Commerzbank verliehen wird, entgegen. In seiner Laudatio beschrieb Dr. Andre Carls, Bereichsvorstand Firmenkunden Mittelstandsbank West der Commerzbank AG, Ortwin Goldbeck als herausragenden Unternehmer, der statt Aktionäre ins Haus zu holen, seit 1984 seine Mitarbeiter zu stillen Gesellschaftern macht. Bis heute ist das Beteiligungsmodell mehrfach erweitert und modifiziert worden. Über 1.800 Mitarbeiter nutzen heute das Angebot und profitieren durch den Kauf von Unternehmensanteilen direkt vom Erfolg des Unternehmens. „Inspiriert durch Reinhard Mohn hat mich die Mitarbeiterbeteiligung mein gesamtes unternehmerisches Leben lang begleitet. Es freut und ehrt mich daher umso mehr den Partnerschaftspreis der AGP zur Auszeichnung unseres langjährigen Beteiligungsmodells zu erhalten“, so Ortwin Goldbeck anlässlich der Preisverleihung.

Im letzten Teil der Tagung wandten sich die Referenten dem Aspekt der Vermögenbildung durch Mitarbeiterbeteiligung zu. Michael H. Kramarsch, Gründer und CEO der internationalen Unternehmensberatung hkp/// group zeigte sich verwundert darüber, dass trotz der positiven Auswirkungen auf Mitarbeiter, Unternehmen und Gesellschaft die Mitarbeiterbeteiligung in Deutschland nicht weiter verbreitet sei. Er appellierte, den Blick mehr auf die Chancen und nicht nur auf das Risiko zu werfen. So zeige eine Berechnung der hkp/// group, dass über die letzten 10 Jahre 95 Prozent der Beteiligungsprogramme für Mitarbeiter in Deutschland bei den Renditen im positiven Bereich gewesen seien. Auf dem Podium diskutierten abschließend der Personalleiter von Evonik in Deutschland, Randolf Bursian, Dennis Diederich, Prokurist der PEAG Gruppe, Dr. Ulrich Goldschmidt, Vorstandsvorsitzender vom Verband Die Führungskräfte e.V., Dr. Peter Göth, Geschäftsführer der Claas Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaft, Prof. Dr. Rainer Sieg von der Universität Passau, Prof. Dr. Oliver Lehmeier von Rödl & Partner sowie Dr. Norbert Kluge, Abteilungsleiter Mitbestimmungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung. Kluge berichtete, dass unter dem Aspekt der Vermögensungleichheit und wie man dieser entgehen könne, auch der DGB, unter bestimmten Bedingungen, zum Thema Mitarbeiterbeteiligung stehe. Den doch noch immer allzu einseitigen Blick vor allem auf das Argument des Klumpenrisikos mahnte zum Schluss noch einmal Randolf Bursian an. Beteiligungsprogramme förderten das Verständnis für die Wirkungen des Kapitalmarktes und ließen die Mitarbeiter sowohl als Arbeitnehmer als auch Teilhaber auf das Unternehmen schauen, so Bursian.

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Ingrid Schleimer, NRW-Arbeitsministerium. Personalvorstand und Arbeitsdirektor der Evonik Industries AG, Thomas Wessel. Ökonom und Universitätsprofessor der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, Dr. Jens Südekum. Prof. Dr. Astrid Szebel-Habig, Hochschule Aschaffenburg. Auf dem Podium diskutierten (v.l.n.r.) AGP Geschäftsführer Dr. Heinrich Beyer,
Personalleiter von Evonik in Deutschland, Randolf Bursian, Dennis Diederich,
Prokurist PEAG Gruppe, Dr. Ulrich Goldschmidt, Vorstandsvorsitzender
Verband Die Führungskräfte e.V. (dFK), Dr. Peter Göth, Geschäftsführer Claas
Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaft mbH, Dr. Norbert Kluge, Abteilungsleiter
Mitbestimmungsförderung Hans-Böckler-Stiftung, Prof. Dr. Rainer Sieg, Universität
Passau und Prof. Dr. Oliver Lehmeier von Rödl & Partner.

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